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„Wir haben HVO in Deutschland auf den Markt gebracht!“

Mit diesem starken Statement beginnt Alexander Stöhr, Geschäftsführender Gesellschafter der TOOL-FUEL Services GmbH mit Sitz in der Hansestadt Hamburg, das Gespräch mit eFUEL-TODAY.

„Wir haben HVO in Deutschland auf den Markt gebracht!“ – Alexander Stöhr, Geschäftsführender Gesellschafter der TOOL-FUEL Services GmbH

Wir haben das 2013 gegründete Unternehmen besucht, um mehr über jenen Kraftstoff zu erfahren, der seit einigen Wochen in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt ist. Die Änderung der BImSchV macht es nun möglich, dass bald HVO in Reinform an deutschen Tankstellen gezapft werden kann. In anderen EU-Ländern, wie etwa Belgien oder den Niederlanden, ist dies schon seit Jahren möglich. Reines HVO findet in Deutschland als nachhaltiger Dieselersatz bisher lediglich bei Großverbrauchern, im Offroad-Bereich oder bei Kommunen Anwendung, so beispielsweise auch beim Flughafen Hamburg.

Dem deutschen Endverbraucher ist der Begriff HVO vielleicht noch nicht so geläufig. HVO (hydrotreated vegetable oil) wird aus Rest- und Abfallstoffen (z. B. Frittierfett) gewonnen und kann im Vergleich zu fossilem Diesel die THG-Emissionen um bis zu 90 %* senken. Die größte Bekanntheit in Deutschland erlangte bisher dabei das HVO 100 Produkt C.A.R.E. Diesel ®. Seit Januar 2023 ist C.A.R.E. Diesel ® als HVO-Reinkraftstoff unter dem Namen Neste MY Renewable DieselTM erhältlich.

C.A.R.E. Diesel ® ist übrigens der Markenname, welchen die Firma TOOL-FUEL ihrem Produkt im Jahr 2013 gegeben hat. Dies verdeutlicht die Relevanz des Hamburger Handelshauses für den noch jungen HVO-Markt. Während das Unternehmen sich in der Anfangszeit bedingt durch gute Subventionsstrukturen auf die Belieferung des österreichischen Marktes konzentrierte, schloss seit 2016 auch der deutsche Markt mengenmäßig auf. Heute ist TOOL-FUEL einer der zentralen Player im deutschen Markt und beispielsweise Lieferant von Großkunden, wie Flughäfen oder Logistikern.

Interview

eFUEL-TODAY: Guten Tag Herr Stöhr! Zuerst einmal vielen Dank, dass Sie uns heute Rede und Antwort zu einem Thema stehen, welches uns in den letzten Wochen schier allgegenwärtig in den Medien begegnet ist. Es geht um den nachhaltigen Dieselersatz HVO. Könnten Sie uns zunächst einmal erklären, was ein HVO genau ist und worin der Unterschied zu einem E-Fuel oder gar einem Biodiesel besteht?

Alexander Stöhr: Sehr gerne, ich begrüße es sehr, dass eine Initiative, die sich im Kern um E-Fuels kümmert, nun auch HVO einmal genauer in den Fokus rückt. Aus meiner Sicht ist es von großer Wichtigkeit, dass alle alternativen Kraftstoffe genau beleuchtet und bekannt gemacht werden und nun zu Ihrer Frage!

Wenn man von einem E-Fuel – in diesem Fall E-Diesel – ausgeht, welches im Fischer-Tropsch Verfahren hergestellt wird, so gibt es in der Qualität des Kraftstoffes keinen Unterschied zum HVO. Was sich jedoch unterscheidet, ist der Herstellungsprozess und die Herkunft der Rohstoffe. Bei der Herstellung eines E-Fuels werden die Kohlenwasserstoffketten synthetisch produziert. Vereinfacht bedeutet dies, dass Wasserstoff, welcher durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen wird, in einem Syntheseprozess mit Kohlenstoff, der zuvor in Form von CO2 der Luft entzogen wurde, zu einem Kohlenwasserstoff verarbeitet wird.

Bei der Herstellung von HVO bedient man sich hingegen biogenen Rohstoffen, in denen die Kohlenwasserstoffketten bereits vorhanden sind. Diese biogenen Rohstoffe stammen bei der Herstellung von HVO heutzutage vermehrt aus Abfallströmen, beispielsweise aus der Lebensmittelindustrie in Form von alten Speisefetten oder auch aus für Lebensmittel unverwertbaren Pflanzenreststoffen. Dadurch steht die Produktion von HVO in keiner Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Dazu sind die benötigten Rohstoffströme zuhauf vorhanden, da die Abfälle in der Lebensmittelindustrie mit der wachsenden Weltbevölkerung korrelieren. Je mehr Menschen auf dieser Welt versorgt werden müssen, desto größer ist auch die Menge an Abfällen, wie Speisefetten. In gewisser Weise wächst also der Rohstoffpool für HVO (Angebot) mit der Menge der Weltbevölkerung (Nachfrage). Diese anfallenden Altfette kann man aufgrund von Gesundheitsauflagen in der Lebensmittelindustrie dem Nahrungsmittelzyklus nicht mehr zuführen, für die Herstellung eines Kraftstoffes eignen sich diese Rohstoffe jedoch perfekt.

Die Abgrenzung eines HVO zum Biodiesel ist ebenfalls sehr spannend. Jeder Rohstoff, der zu einem Biodiesel verarbeitet werden kann, eignet sich ebenfalls zur Herstellung eines HVO. Der Unterschied liegt hier zum einen im Herstellungsprozess und der daraus resultierenden Kraftstoffqualität. Eine HVO-Produktionsanlage ist um ein Vielfaches komplexer und teurer als eine Anlage zur Produktion von Biodiesel mit vergleichbarem Output. Während ein Biodiesel dann für die aller meisten Anwendungen gut geeignet ist, kann ein HVO aufgrund seiner noch höheren Qualität auch dann verwendet werden, wenn die Anforderungen besonders hoch sind. Wo nun ein HVO oder ein Biodiesel angewendet werden sollte, hängt also von den Anforderungen ab. Biodiesel wird dabei immer preiswerter sein, weshalb es in vielen Anwendungen auch Sinn ergibt, diesen Treibstoff zu nutzen. Wichtig sind uns, als Handelshaus für HVO, technologieoffene Rahmenbedingungen seitens der Politik, sodass der Markt und die Anwendung entscheiden, welcher flüssige Energieträger am besten geeignet ist. Zum Glück bewegen wir uns derzeit politisch in die richtige Richtung.

eFUEL-TODAY: Sie sprechen davon, dass die zur Herstellung von HVO benötigten Rohstoffe in großen Mengen existieren und man sich hier sowieso Abfallströmen bedient, die entweder überhaupt nicht oder minderwertig genutzt werden. Ist HVO aus Ihrer Sicht also gekommen um zu bleiben oder sprechen wir hier nur von einer Brückentechnologie, bis die Herstellung von E-Fuels hochgefahren ist, da diese ohne biogenen Rohstoff auskommt?

Alexander Stöhr: Um den Bedarf an nachhaltiger Energie für unterschiedlichste Anwendungen zu sichern, brauchen wir eine Vielzahl von Energieträgern und HVO wird dabei auf lange Sicht definitiv eine Rolle spielen. Schon jetzt ist die industrielle Produktion von HVO soweit ausgebaut, dass wir keine Skaleneffekte bei den Herstellungskosten mehr beobachten können. Das Produkt ist also – im Gegensatz zu einem E-Fuel – schon jetzt verfügbar und das im Maßstab von ganzen Schiffsladungen. Der Umstand, dass zur Produktion von HVO Rohstoffströme aus Abfällen genutzt werden können, ist ein großer Vorteil dieses Energieträgers. Mit wachsender Weltbevölkerung werden diese Abfälle nur noch mehr und darüber hinaus haben wir auch jetzt noch lange nicht alle potenziellen Quellen ausgeschöpft. HVO ist also gekommen um zu bleiben und ergibt beim Klimaschutz genau dann Sinn, wenn sowieso vorhandene Abfälle genutzt werden. Wichtig ist dabei zu sagen, dass HVO nicht den Anspruch hat, den gesamten Bedarf an nachhaltigem Diesel zu decken, sondern sich einreiht in ein nachhaltiges Angebot von Kraftstoffen – neben Biodiesel und E-Fuels.

eFUEL-TODAY: Sie stellen die sehr hohe Qualität von HVO heraus. Lässt sich folglich jeder Dieselmotor problemlos mit HVO betreiben?

Alexander Stöhr: Prinzipiell lässt sich jeder Diesel mit HVO problemlos betreiben. Sicherlich gibt es auch spezielle Anwendungsbereiche, in denen zumindest in der Theorie ein HVO bedingt durch seine Eigenschaften mit Vorsicht zu genießen ist. Dies sind jedoch eher theoretische Szenarien, für die Anwendung im LKW, PKW, Baumaschinen oder der Landwirtschaft ist ein HVO perfekt geeignet. Auch aus Ländern, in denen HVO in Reinform schon lange an den Tankstellen erhältlich ist, sind uns keine negativen Vorfälle aus der Praxis bekannt.

eFUEL-TODAY: Die Kompatibilität mit den existierenden Fahrzeugen ist gewissermaßen natürlich eine Grundvoraussetzung. Ob ein alternativer Kraftstoff vom Verbraucher jedoch auch angenommen wird und sich letztendlich durchsetzt, hängt darüber hinaus sicherlich am Preis. Welche Prognose können Sie hier machen? Wie viel teurer ist ein HVO im Vergleich zum konventionellen Diesel?

Alexander Stöhr: Eingangs muss man hier sagen, dass kein alternativer Kraftstoff preislich an fossile Kraftstoffe herankommt. Fossile Kraftstoffe sind in der Herstellung so günstig, dass nachhaltige Alternativen nur durch Subventionen preislich in die Nähe eines Erdölproduktes kommen. Verschiedene Beobachtungen haben ergeben, dass der Endverbraucher in Deutschland im Schnitt bereit ist, zwischen 20 Cent und 30 Cent mehr für einen nachhaltigen Kraftstoff zu bezahlen und in diesem Korridor liegt das Produkt dann auch. Interessant ist die Beobachtung, dass im EU-Ausland die Zahlungsbereitschaft deutlich höher liegt! Dies ist in erster Linie darin begründet, dass dort alternative Kraftstoffe eine hohe Akzeptanz genießen und als CO2 reduzierende Maßnahme öffentlich anerkannt sind.

eFUEL-TODAY: Punkto Anerkennung, wenn wir hier kurz einhaken dürfen: Man kann sagen, dass HVO in der Vergangenheit in Deutschland einen recht zweifelhaften Ruf hatte. Das Stichwort ist in diesem Zusammenhang Palmöl. Auch auf der Website des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz steht, dass HVO aus Palmöl gewonnen wird, die ökologischen Probleme, welche mit diesem Rohstoff einhergehen, sind hinreichend bekannt…

Alexander Stöhr: Die Problematik mit Palmöl ist in Deutschland hausgemacht. Die ökologischen Probleme dieses Rohstoffes sind schon seit langer Zeit bekannt, weshalb viele EU-Staaten Palmöl ganz klar nicht als nachhaltigen Rohstoff klassifiziert und teilweise auch verboten haben. In Deutschland hingegen unterlag Palmöl Förderungen, was natürlich Produkte aus Palmöl am Markt preislich attraktiv gemacht haben. Wir bei TOOL-FUEL nutzen bereits seit 2018 zur Herstellung unserer Hauptprodukte kein Palmöl mehr. Regulatorisch hat Deutschland erstaunlicherweise erst zum Jahr 2023 den Riegel vor Palmöl geschoben. Vor diesem Hintergrund ist HVO also auch in der Breite spätestens seit diesem Jahr unproblematisch.

eFUEL-TODAY: Gerade in den letzten Monaten beobachten wir eine enorme Dynamik in der Politik und Gesetzgebung hinsichtlich der alternativen Kraftstoffe und dies sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Lange Zeit war Deutschland hier sicherlich etwas träge. Welche regulatorischen Hindernisse sehen Sie noch im Zuge der flächendeckenden Einführung von HVO an den Tankstellen?

Alexander Stöhr: Wir sind in diesem Markt natürlich schon eine vergleichsweise lange Zeit präsent. Mit unserem Produkt C.A.R.E. Diesel ® haben wir seit 2016 sicherlich Bewegung in den Markt und dadurch auch in die Politik gebracht. Ein Hindernis ist in diesem Zusammenhang sicherlich immer noch die 10 BImSchV. Bisher weigert sich der Gesetzgeber, HVO hier mit aufzunehmen und das obwohl es faktisch keinen Grund gibt, der dagegen spricht. Dies muss geändert werden, um der gesetzlich verankerten Freizügigkeit der Produkte im Binnenmarkt gerecht zu werden.

eFUEL-TODAY: Sie sprachen es eben an – C.A.R.E. Diesel ®, Klima-Diesel oder auch Diesel-Protect. Das Produkt hat unterschiedlichste Namen, bezeichnet derzeit in der Regel einen konventionellen Diesel mit einer beigemengten Quote von HVO. Welche Rolle werden diese geblendeten Produkte in Zukunft am Markt spielen?

Alexander Stöhr: In der Praxis sind Beimengungen natürlich ein gutes Mittel, um die Quote an nachhaltigen Kraftstoffen sukzessive zu erhöhen. Es sollte unser Ziel sein, dass die Menschen Ihre Mobilität genauso wie gewohnt aufrechterhalten können und sich unsere Branche darum kümmert, den Verbrauch von Diesel schrittweise nachhaltig zu gestalten. Wie hoch dabei eine Quote von HVO im jeweilig getankten Produkt ist, hängt entweder davon ab, wie viel mehr der Kunde am Anfang bereit ist zu zahlen oder wie viel gesetzlich reglementiert höchstens beigemengt werden darf.

Auf der übersichtlichen Website der Firma TOOL-FUEL Services GmbH finden sich auch detaillierte Informationen über die angebotenen HVO-Produkte © toolfuel.eu

> Mehr zum Unternehmen: www.toolfuel.eu

TOOL-FUEL Services GmbH bietet synthetische Kraftstofflösungen zur messbaren Emissionsreduktion des Fuhrparks an. Die Kernkompetenz liegt insbesondere in Vertrieb und Verteilung von hochwertigem HVO in Reinform. Spezialisiert auf die Erstellung von Kraftstoffversorgungskonzepten steuert TOOL-FUEL Services die Beschaffung, Lagerung
und den Transport der nachhaltigen Kraftstoffe über eigene Lagerstandorte in Deutschland. Zusammen mit der ISCC-Zertifizierung sind die Voraussetzungen geschaffen, die Rohstoffauswahl und -zuteilung bis auf die einzelnen Lieferungen nachzuvollziehen und somit vollständige Transparenz in Bezug auf die Herkunft und Qualität des Kraftstoffes nachzuweisen. Seit 2022 ist TOOL-FUEL Services Neste-Markenpartner und damit zertifizierter Händler für Neste MY Renewable Diesel.


*) Die Methode zur Berechnung der Lebenszyklus-Emissionen und der Emissionsreduzierung entspricht der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien II (2018/2001/EU).

Foto von Venti Views auf Unsplash

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